Karl König Leitgedanken
DIE AUFGABE
DER CAMPHILL BEWEGUNG
Auszug aus der Ansprache von Karl König am 7. Mai 1964 bei der Eröffnungsfeier der Camphillschule Föhrenbühl am Bodensee.
„Nur wenn wir uns wieder in Gemeinschaften zusammenfinden, die nicht durch Erbe, Rasse oder Glaubensgemeinschaft, sondern durch die des Geistes entstehen, wo wir füreinander arbeiten und zusammen streben, wo Erwachsene und Kinder, wichtige und weniger wichtige Menschen, fähige und nicht fähige in gegenseitiger Anerkennung der Würde des Einzelnen zusammenkommen und eine neue Form der Gemeinschaft bilden, nur dann wird etwas zustande kommen, wodurch Kindern und jungen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, dass sie ihr wahres Wesen, ihre spirituelle Existenz zum Ausdruck bringen und ihren Beitrag geben können."
VOM SINN UND WERT
HEILPÄDAGOGISCHER ARBEIT
Zu Weihnachten 1965 - also nur einige Monate vor seinem Tod - schrieb Karl König einen Aufsatz mit dieser Überschrift. Dort schilderte er die Entstehungsgeschichte der Heilpädagogik auf dem Hintergrund des wachsenden Materialismus und der Kriegswirren. Nachdem er diese Brücke vom 18. Jahrhundert bis zu Hans Asperger und den Nachkriegsjahren gebaut hatte, schilderte etwas, das mit den Intentionen seines Lebenswerkes in dessen Weite und Tiefe zu tun hat:
"Eine Wohlstandsgesellschaft,die ihr eigentliches Menschsein zu vergessen beginnt - eine Menschheit, die sich in ihre Rassenprobleme verbeisst und gleichzeitig Vernichtungsmittel ersonnen hat, denen Millionen in wenigen Minuten zum Opfer fallen können - eine soziale Ordnung, die die göttliche Ordnung vergass und eine neue Ethik sucht, die sie, gottlos geworden, nicht mehr finden kann - zeugt in ihrer Mitte einen neuen Aufgabenkreis: den Hinfälligen, Behinderten, scheu Gewordenen, Lahmen und Siechen so zu helfen, dass sie wieder ihr Menschentum erringen können. Ist es nicht ein großes Wunder, das sichuns hier offenbaren will? Eine sich selbst vernichtende Menschheit erschafft in ihrer Mitte ein Neues, das im absterbenden Teil ihres Daseins einen werdenden Keim zum Wachsen bringt. Eine umfassende Heilpädagogik gleicht dem sich entfaltenden Samen in einer faulenden Frucht.
Wir müßen nur die Idee der Heilpädagogik weit genug fassen, um ihrer wahren Bestimmung ansichtig zu werden....... Sie will zu einer weltweiten Tätigkeit werden, um der überall entstandenen "Bedrohung der Person" hilfreich entgegenzutreten. Die "Heilpädagogische Haltung" muß in jeder sozialen Arbeit, in der Seelsorge, in der Betreuung der Alten, in der Rehabilitation der Geisteskranken wie auch der Körperbehinderten, in der Führung der Waisen und Flüchtlinge, der Selbstmordkandidaten und Verzweifelten, aber auch in der Entwicklungshilfe, im internationalen Friedenskorps und ähnlichen Bestrebungen sich zum Ausdruck bringen. Das ist die einzige Antwort, die wir heute - insofern wir noch Menschen sein wollen - einer am Abgrund tanzenden Menschheit entgegenstellen können…
Nur die Hilfe von Mensch zu Mensch - die Begegnung von Ich mit Ich - das Gewahrwerden der anderen Individualität, ohne des Nächsten Bekenntnis, Weltanschauung und politische Bildung zu erfragen – sondern einfach das Aug' in Auge-Blicken zweier Persönlichkeiten, schafft jene Heilpädagogik, die der Bedrohung des innersten Menschseins heilend entgegentritt. Allerdings wird das nur dann wirksam sein können, wenn eine grundlegende Herzenserkenntnis dabei berücksichtigt wird".
"Aus dem Band: Das Seelenpflege-bedürftige Kind"
Weitere Leitgedanken
DIE DREI GRUNDLAGEN
DER HEILPÄDAGOGIK
Die folgenden Zitate sind aus dem Essay "Die drei Grundlagen der Heilpädagogik", den Karl König 1948 für den Newsletter der "Weleda" verfasste und der nun erstmals in der Ausgabe "The Child with Special Needs" von Karl König, bei Floris Books 2009 veröffentlicht wurde.
Am Ende des vorigen Jahrhunderts begann der Zerfall der menschlichen Gesellschaft. Die Ordnungen, die bis dahin die Haltung des einzelnen Menschen bestimmt hatten,begannen zu zerbrechen. Die Familie, die Dorfgemeinschaft, die Zünfte, der Staat selbst (…) Warum sollten auch unsere Kinder "normal" reagieren, wenn sie in eine Gesellschaftsordnung hineinversetzt sind, die innerlich zerbrochen ist? (…)
Wenn diesen Kindern geholfen werden soll, dann muss die erste Grundlage der Heilerziehung geschaffen werden: diese Kinder in ein soziales Milieu zurückzubringen.(...) Deshalb haben wir hier in Camphill die Kinder auf so viele als mögliche Häuser verteilt, wo jedes Kind sich" zu Hause" befindet (…) Alle Erwachsenen aber, die mit den Kindern leben, arbeiten und sie erziehen, müssen ein elterliches Gefühl für diese Kinder entwickeln; diese Erwachsenen müssen verstehen lernen, dass es heute notwendig ist, die neue Familie zu erschaffen, die nicht nur auf das Blut und die Vererbung gebaut ist, sondern auf den Helferwillen und die Liebe zu diesen Kindern (…)
Um den Helfern und Lehrern, Schwestern und Pflegern die Kraft zu dieser Aufgabe zu geben, ist es notwendig, eine Gemeinschaft aller in solchen Zusammenhängen mitarbeitenden Menschen zu bilden. Diese Gemeinschaft aber kann nur wieder eine Geist-Gemeinschaft sein (...), ist die Grundlage für die neue Familie, welche das soziale Rückgrat für diese Kinder bildet.
Aus dem letzten Vortrag Karl Königs auf der Tagung für Mitarbeiter in den Dorfgemeinschaften, 1964, in dem Band "Der Impuls der sozialtherapeutischen Gemeinschaft":
"....dann kann der Impuls des sozialen Experiments Dorfgemeinschaft, dieser kleine Keim der sozialen Dreigliederung, allmählich wachsen und heilende Kräfte in die Krankheit unserer Zeit ausstrahlen."